Vom Schichtwechsel zum Sichtwechsel

Einen Tag tauschen, sich in die Arbeitswelt des anderen begeben und erleben, wie diese funktioniert. Das ist der Gedanke hinter der bundesweiten Aktion "Schichtwechsel" der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM). Die Caritaswerkstatt in Gladbeck hat sich beteiligt. Insgesamt tauschten vier Beschäftigte für einen Tag ihren Arbeitsplatz.
"Dabei geht es uns vor allem um gegenseitiges Kennenlernen, den Austausch und darum, Klischees in den Köpfen aufzulösen", sagen Lea Burg und Volker Brexeler von der Caritaswerkstatt. Beide haben den Schichtwechsel organisiert und begleitet. "Bei uns werden nicht nur einfache Arbeitsgänge verrichtet. Wir sind ein Betrieb, der seine Produkte auch verkaufen muss." Das erlebten die Tauschpartner von Unternehmen und kommunalen Diensten dann persönlich vor Ort in der Caritaswerkstatt.
"Wir haben uns heute vor allem auf Falschparker konzentriert", erzählt Ruby Eßlinger-Lemke. In ihrem Team des Kommunalen Ordnungsdienstes schnupperte Robin Polaczek in den Alltag. "Am Anfang war es schwer, aber dann ging es", schildert der Beschäftigte, der sonst in der Caritaswerkstatt arbeitet. "Wir sind viel gelaufen und durch Gladbeck gefahren." Für ihn tauschte Silvia Müller vom Kommunalen Ordnungsdienst und lernte einen Tag den Förderbereich der Caritaswerkstatt kennen. "Ich ziehe meinen Hut vor den Mitarbeitern, die hier täglich die Menschen begleiten. Es war eine ganz neue Erfahrung für mich. Das Miteinander und die Dankbarkeit sind ganz anders", erzählt sie von ihrem Praktikumstag. Im Förderbereich arbeiten Menschen mit schweren Beeinträchtigungen.
Anna Wortmann von der Heidelbach Metall Recycling GmbH erhielt einen Einblick in die Küche der Caritaswerkstatt, die nicht nur das Essen für die Beschäftigten produziert, sondern auch für Kindergärten und Schulen: "Jeder hat seine Aufgabe, kennt diese genau und packt an. Es hat mir viel Spaß gemacht." Serkan Botzkurt verbrachte seinen Tag im Tausch und war ebenfalls zufrieden: "Ich habe Kupfer abgeschält."
Beschäftigte Hannah Schwane konnte in einen besonderen Bereich hineinschnuppern. Sie wurde Teil eines Teams des Zentralen Betriebshof Gladbeck (ZBG) am Friedhof in Brauck. "Wir haben eine Beerdigung für morgen vorbereitet", erzählt sie beeindruckt. Stefan Schiemann vom ZBG kann sogar schon weiter berichten: "Wir haben gute Erfahrungen mit einem Außenarbeitsplatz für einen Menschen mit Beeinträchtigung gemacht und auch Fördergelder erhalten, um entsprechendes Gerät anzuschaffen. Inzwischen ist er sogar fest bei uns angestellt." Damit beschreibt Stefan Schiemann den idealen Weg, der sich aus einem Schichtwechsel ergeben kann.
Maik Misch von der Surteco GmbH verbrachte einen Tag in der Montagegruppe I der Werkstatt: "Ich musste schon erstmal ein bisschen warm werden mit der Situation. Ich habe über den Tag gelernt, dass die Sozialkompetenz hier in der Werkstatt viel höher ist. Keiner meckert, man ist pünktlich, achtet aufeinander und arbeitet miteinander." Für ihn tauschte der Beschäftigte Nico Rieger, den am meisten die Arbeit mit dem Gabelstapler beeindruckt hat: "Das war ja richtige Arbeit!"
Myriam Niebisch vom Hotel van der Valk ist schon erfahren, denn das Hotel kooperiert bereits seit Längerem mit der Caritaswerkstatt. Ein ehemaliger Beschäftigter befindet sich dort inzwischen in Festanstellung. "Das ist ein großer Erfolg und eine Bestätigung für unsere Arbeit", so Volker Brexeler von der Caritaswerkstatt. Myriam Niebisch verbrachte ihren Schichtwechsel in der Postfiliale der Werkstatt an der Haldenstraße. "Ich wurde sehr herzlich empfangen und es ist immer wieder schön, in der Werkstatt zu sein. Hier herrscht ein ganz anderer Ton als in unserem Berufsalltag, wo es oftmals rauer zugeht."
Alle Beteiligten waren sich am Ende des Schichtwechsels einig: Im nächsten Jahr sind sie wieder mit dabei und bis dahin ist ein längeres Praktikum eine gute Möglichkeit, die Kontakte und Erfahrungen zu vertiefen.
Information
Caritas-Werkstätten Gladbeck
Bereits Ende der 1960er Jahre wurden in Trägerschaft des Caritasverbandes Gladbeck Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung geschaffen. Heute finden an zwei Standorten in Gladbeck mehr als 350 Menschen mit Behinderungen oder psychischen Erkrankungen einen Arbeitsplatz, der ihren Wünschen und Fähigkeiten entspricht.
Im Laufe der Jahrzehnte haben die Caritaswerkstätten dabei einen weiten Weg zurückgelegt: Von der "beschützenden Werkstätte" hin zu einem Unternehmen, das berufliche Qualifizierung und Teilhabe am Arbeitsleben in den Vordergrund stellt, um dadurch die Inklusion von Menschen mit Behinderung zu fördern. Der Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten der Werkstätten ist dabei nur eine von vielen Möglichkeiten. Daneben stehen Arbeitsplätze außerhalb der Werkstätten und in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes zur Verfügung.
